Fiktion, Sachtext oder Erlebnisbericht? Diese Frage stelle ich mir bei jeder Blogparade zuallererst. Diesmal probiere ich es mit einer Kombination aus Sachtext und Erlebnisbericht und werde dabei eine Situation schildern, in der ich als Dom meiner Verantwortung nicht wirklich gerecht geworden bin.
Knielanger Bleistiftrock und schulterfreies Seidentop, genau das richtige Outfit, um Sonntagfrüh bei mir aufzukreuzen.
»Was ist?«, fragte ich ungehalten.
Sie hielt eine Mappe in die Luft.
»Kannst du mir hiermit helfen?«
»Du suchst einen neuen Job?« Mir fiel auf, wie unfreundlich ich klang. Offenbar war ich schlecht gelaunt. Ich nahm mir vor, mich zusammenzureißen, denn ich mochte Morgenmuffel nicht. Wieso man einen neuen Tag mit schlechter Laune begrüßen musste, konnte ich nicht verstehen. Da ich normalerweise morgens gut gelaunt bin, bemerkte ich den frappierenden Unterschied zu meinem sonstigen Selbst umso mehr. »Jetzt? Ich bin gerade aufgestanden.«
»Es ist 14.00 Uhr.«
»Fuck.«
Ich trat einen Schritt zurück und ließ sie herein. Der Duft ihres Parfüms streifte mich und ich folgte ihr in mein Wohnzimmer. Ihre Pumps klackerten über die Paneele und mein Blick wanderte über die Nähte ihrer Strümpfe zu dem Apfelarsch, der sanft im Takt der Schritte wogte.
Shit.
Es war klar, worauf das hinauslief. Manchmal dachte sie sich irgendeinen Bullshit aus, einen Vorwand, mich zu besuchen und wenn sie dann da war, setzte sie ihre Verführungskünste ein, die im Wesentlichen darin bestanden, sich passiv zu verhalten und darauf zu warten, dass ich über sie herfiel. Dagegen war ich praktisch hilflos, obwohl mir diese Dynamik heute Morgen auf den Keks ging. Normal war das alles nicht, aber natürlich verständlich. Denn sie war die personifizierte Verführung, das perfekte Weibchen. Zumal ich die anfängliche Ohnmacht jedesmal später durch reichlich Dominanz und Sadismus kompensieren konnte. Ich will euch nicht mit den langweiligen Details einer gescheiterten Beziehung langweilen, die heftig aber sehr kurz war. Es muss euch reichen, wenn ich sage, dass die Trennungsphase länger andauerte als die eigentliche Beziehung. Ursache dafür war – ihr ahnt es sicherlich schon längst – sensationell guter SM/Sex. So dermaßen unverschämt gut, dass man darauf wirklich schwerlich verzichten will. Ist es eigentlich nur bei Männern so, oder reden sich auch Frauen Unsinn ein? Wie zum Beispiel:
- Die Beziehung ist offiziell beendet.
-
Wir sind zwei Erwachsene.
-
Die gelegentlich miteinander vögeln.
-
Was ist schon dabei?
In dieser Konstellation ist man in der Lage die toxischen Elemente eines solchen Verhältnisses auszublenden oder man meint sie kontrollieren zu können, falls sie sich denn überhaupt mal in den Vordergrund des Bewusstseins stehlen.
Auf dem Weg ins Wohnzimmer bog ich ins Bad ab und sprang unter die Dusche. Als ich nur mit einem Handtuch um die Hüften zurückkam, hatte sie es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht. Ein Fuß stand auf dem Beistelltisch, berührte dessen Glasfläche nur mit dem Absatz, was den eleganten schwarzen High Heel geschickt in Szene setzte. Natürlich war ihr Rock leicht nach oben gerutscht, gerade so weit, dass an einer Stelle die nackte Haut ihres Schenkels oberhalb der Halterlosen aufblitze.
Wie macht ihr Frauen das eigentlich, dass der Rock genau so weit hochrutsch, dass man die Halterlosen gerade so sieht? Es muss doch unglaublich kompliziert sein, die verschiedenen Faktoren, wie Rocklänge, Schnitt, Sitzmöbel, Haltung und so weiter zu kalkulieren. Gibt es Kurse auf Volkshochschulen, wo ihr das lernt? Ist es vielleicht Geheimwissen, das von einer Generation Femme fatales nur im Flüsterton auf die nächste weitergegeben wird?
Ihr … Unser ganzes Verhalten war doch ein total poröses Klischee? Oder vielleicht doch normales Sexualverhalten zweier normaler erwachsener Menschen, die zum Zwecke der Befriedigung ihrer dunklen Gelüste im beiderseitigen Einverständnis eine Art Rollenspielchen inszenieren? Ich ließ mich auf den Sessel nieder und nahm die Kaffeetasse.
»Warum bist du hier?«
»Wegen der Bewerbung, weshalb sonst? Da muss eine neue Anschrift rein und ein paar Details müssen …«
»Unsinn!«, erwiderte ich scharf. »Du takelst dich nicht so auf, um hier eine Bewerbung auszudrucken.«
»Ach das. Bin nachher noch zum Essen eingeladen – Family.«
Ganz die Unschuld, immer eine Ausrede parat. Nicht, dass sie nie schicke Klamotten trug. Nicht, dass sie nie Parfüm benutzte oder sich nie schminkte. Sie war ein ganz normales Middle Class Girl. Dieses Outfit hätte gepasst, wenn wir in ein tolles Restaurant gingen oder so.
Sie erhob sich, drehte sich einmal auf dem Absatz. »Soooo außergewöhnlich ist das doch gar nicht«, meinte sie lapidar. Noch so ein Widerspruch. Etwas züchtiges sagen, die Anständige mimen, sich gleichzeitig in Reichweite meiner Hände begeben und dabei die Reize in Szene setzen.
»Das glaubst du doch selbst nicht.«
Ich sah sie an.
»Welche Unterwäsche trägst du?«
Sie sah mich an – fragend, unschlüssig.
»Wieso?«
Ich antwortete nicht, erwiderte ihren Blick starr. Dann gab ich ein Zeichen, nur einen Fingerzeig. Es überrasche mich nicht, dass sie ›gehorchte‹. Obwohl es normalerweise ein längeres ›Vorspiel‹ benötigte, bis sie sich ›verführen‹ ließ. Sie seufzte und zog langsam ihren engen Rock hoch.
Trotz der intensiven Arabica Mischung fiel mir ihr Duft auf, süß und schwer. Es war nicht nur das Parfüm, das ich roch. Als hätte jemand einen Schalter in meinem Hirn umgelegt, nur dass ich mich diesmal nicht an unser normales, dutzendfach erprobtes Drehbuch zu halten gedachte. Das sah vor, dass ich mich normal verhielt, ihr dabei half, die Bewerbung zu schreiben, oder was auch immer ihr Anliegen war. Irgendwann würde sich dabei eine Gelegenheit ergeben. Vielleicht, wenn ich am Computer saß, sie hinter mir stand, sich über mich beugte. Eine andere Methode mit Erfolgsgarantie, die ich allerdings seltener anwandte, wäre gewesen sie einfach zu packen. Dann schleifte ich sie quasi an den Haaren ins Schlafzimmer, wobei sie manchmal ein wenig zeterte und strampelte.
Unter dem Rock kam feine Spitze zum Vorschein. Was man halt so trägt, wenn man eine Bewerbung schreiben will oder von der Family zum Italiener eingeladen wird. Mein Sinn für das Schöne musste mir offenbar temporär abhandengekommen sein, sonst hätte ich mir wohl etwas mehr Zeit genommen. Stattdessen deutete ich in Richtung des Regals, in dem ganz unten eine Truhe mit meinem Spielzeug stand. Sie verstand den Wink, zog die schwere Kiste heran und öffnete den Deckel. Beide beugten wir uns darüber, betrachteten ausgiebig den Inhalt.
»Welches dieser Toys magst du am wenigsten?« Ziellos kramte ich durch die Utensilien.
»Diese Klammern da. Einfach schrecklich die Dinger.«
Sie zeigte auf die Foldback-Klemmen. Die waren wirklich richtig fies, wie ich bei einem Selbstversuch direkt nach der Anschaffung festgestellt hatte. Ihre Beziehung zu Spielzeug dieser Art, ließ sich am besten mit dem Begriff Hassliebe beschreiben, wobei in diesem Fall der Hass deutlich überwog.
Wortlos reichte ich ihr die Klammern, die mit einer dünnen Kette verbunden waren, an der eine Zugleine befestigt war. Sie schluckte so schwer, dass ich die Bewegungen ihres Kehlkopfes erkennen konnte. Doch dann richtete sie sich entschlossen auf. Wie mein Sinn fürs Schöne war auch meine Fähigkeit mich für Kleinigkeiten begeistern zu können, ins Koma gefallen. An sich hätte ich ihr Zögern zur Kenntnis nehmen müssen. Beobachten, jede Regung registrieren und mich darauf einstellen – das betrachtete ich eigentlich als meine Stärke. An diesem Tag ganz und gar nicht. Ohne jede Gemütsregung verfolgte ich, wie sie die Knöpfe des Tops öffnete, ihre Hände in die Schalen des BHs schob – ebenfalls feine Spitze – und ihre Brüste heraushob. Sie sah mich noch einmal kurz an, bevor sie die Klammern ansetzte und auf ihre Nippel drückte, erst den einen dann den anderen. Da müsste man als Dom doch irgendeine Reaktion zeigen oder? Man muss ja nicht gleich jauchzend durch die Wohnung hüpfen, wenn die Sub gehorcht. Aber eine hochgezogene Augenbraue oder ein süffisantes Lächeln, das sich nur im Mundwinkel zeigt – irgendwas hätte doch da von mir kommen müssen. Dieses Indiz dafür, dass ich an jenem Tag dabei war einen falschen Weg einzuschlagen, entging mir. Ich erhob mich, griff nach der Leine und zog sie hinter mir her in den Flur vor den großen Spiegel.
»Du willst spielen?«, zischte ich. Immerhin schrie ich nicht – dieses laute Rumgeblöke konnte ich noch nie ab, schon gar nicht im Kontext von BDSM. Mein Blick fiel auf die Garderobe, an der ein paar Krawatten hingen. Eine davon nahm ich, schlang sie um ihren Hals und verknotete sie. Das andere Ende zog ich nach oben, während ich gleichzeitig eine Hand auf ihren Rücken legte und sie nach vorne drückte, bis sie leise röchelte. Ich hatte eigentlich keinen Bock darauf sie zu bespielen, war regelrecht sauer auf sie. Dieser Gemütszustand blieb natürlich nicht ohne Folgen. Ich war deutlich rücksichtsloser. Normalerweise steigert man ja im BDSM – erst ein paar Streicheleinheiten, Aufwärmen und langsam an die Grenze herantasten. An jenem Tag fing ich auf dem obersten Niveau an und blieb da. Sie konnte das aushalten, genoss es sogar, weil sie offenbar in der richtigen Stimmung war. Ihre Grenzen überschritt ich nicht, obwohl mein Hirn ausgeschaltet war und ich quasi nur aus dem Bauch heraus spielte.
Falsch war es trotzdem – womit wir beim theoretischen Teil angelangt wären:
Voraussetzung für Erniedrigungsspiele ist Respekt, und den hatte ich an jenem Tag nicht. Ich war auch nicht wirklich sauer auf sie, sondern vielmehr war ich sauer auf mich. Und als Dom die schlechte Laune bzw. die eigenen psychologischen Unzulänglichkeiten an der Sub auszulassen ist so ziemlich das Allerletzte, das man tun sollte – zumal dabei ein enormes Risiko besteht, unabsichtlich Grenzen zu überschreiten. Der wesentliche Unterschied von Erniedrigungs- im Gegensatz zu anderen sadistischen Spielarten besteht darin, dass man die Wirkung nicht sofort erkennen kann. Bei einem Schlag mit der Gerte, färbt sich die Haut und wird mit jedem Schlag dunkler. Schlägt man zu fest, wird Sub sich irgendwann beschweren. Schlimmstenfalls verletzt man die Haut. Das ist schlimm genug, aber im Gegensatz dazu sind Verletzungen der Seele nicht unmittelbar sichtbar.
Meiner Erfahrung nach reicht Aftercare auch nicht aus. Intermediate-Care, so nenne ich das jetzt einfach mal: Gesten, Worte, Zuwendungen, mit denen man die Sub wissen lässt: »Trotz der schlimmen Dinge, die du dir gerade von mir antun lässt, weiß ich, dass du da drin steckst.«
Eine Sub zu respektieren, während man sie aufs Schärfste demüttigt, ist nur scheinbar ein Widerspruch. Als Dom, der sich an diesem Spiel erfreut, bin ich doch dankbar eine Partnerin gefunden zu haben, die das ebenfalls genießen kann. Umso mehr ist es meine Verantwortung, ihre Sicherheit zu garantieren und zu verhindern, dass sie mental abstürzt, was nur geht, wenn sie weiß, dass ich allergrößte Achtung habe. Hat man keinen Respekt vor der Frau mit der man Demütigung spielt, ist man nichts weiter als ein misogynes Arschloch.
Seit jenem Tag gibt es bei mir übrigens eine Regel: Eine Session oder SM-lastiger Sex ist ein No-Go wenn ich bei wirklich schlechter Laune bin! Wenn ich nicht mit mir selbst im Reinen bin, lasse ich es lieber sein.
Dieser Beitrag ist Teil der BDSM-Blogparade zum Thema Erniedrigung:
Seitenspringerin – 12. Oktober
Ein Keks packt aus – 16. Oktober
The Art of Pain – 02. November
Das Titelfoto dieses Beitrags wurde mir freundlicherweise von Thomas Mattern zur Verfügung gestellt.
Mehr von Thomas Mattern findet ihr in seiner Galerie bei unART-Fotokunst.
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Natürlich lernen wir mit halterlosen Strümpfen umzugehen, es gibt spezielle Schulen für sowas. Wusstest Du das etwa nicht? 😉
Sehr schöner Artikel, welcher – auch, wenn ich mich dabei ein wenig unwohl fühle – zeigt, was man eben nicht machen sollte, wenn man Demütigung spielt: den Respekt verlieren. Ich war selbst einmal in einer respektlosen Situation dieser Art, allerdings ist es nicht so glimpflich ausgegangen…
Danke für die Schilderung Deiner Sichtweise und vor allem der Schilderung, dass auch ein Dom einmal einen Fehler machen kann. ❤
das mit den Schulen wusse ich echt nicht …
sehr geheimnisvoll