Ein Blogroman von Salome M. in 30 Teilen über das Leben in einer von Gor inspirierten, aber modern aufgebauten Gemeinschaft, welche auf privatem Grund einer Gesellschaft von superreichen Männern existiert, die sich nicht mehr an bürgerliche Gesetze gebunden fühlen. Frauen sind Eigentum und Lustobjekte, können aber mit Einwilligung ihrer Herren auch modernen Berufen nachgehen.
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Kapitel 29 – Flucht
Mit der schlafenden Anouk in den Armen schleiche ich mit Cora nun hinaus. Auf dem Sportgelände legen wir Anouk kurz zu Boden und Cora macht mir die Räuberleiter, ich klettere auf die Mauer. Niemand da. Sie reicht mir Anouk hoch, die davon erwacht und leise zu jammern beginnt. Ich helfe mit einer Hand Cora zu mir rauf und wir springen auf der anderen Seite runter. Noch immer ist niemand da. Es ist halb drei Uhr morgens, eine kristallklare sibirische Frühsommernacht und saukalt. Anouk ist warm eingepackt in ihren dicken Overall mit angesetzten Füßlingen, Handschuhen und Mütze. Cora und ich haben allerdings nur dünne Kleider an und frieren. In der Garage stehen die Lieferwagen für die Transporte zu den Kasernen. Es gibt keine Kriminalität in Chalkiev. Die Tür ist nicht abgeschlossen, die Schlüssel hängen ordentlich am Schlüsselbrett. Wir steigen in den ersten Wagen. Cora fährt, ich habe Anouk in den Armen. Der Dieselmotor startet mit gewaltigem Radau, ich bekomme fast einen Herzschlag. Doch dann sind wir unterwegs. Der Tank ist voll. Niemand sagt ein Wort, bis wir die letzten Häuser von Chalkija hinter uns gelassen haben. Dann sind wir auf der einsamen, unbeleuchteten Landstraße Richtung Osten. Befreites, fast ungläubiges Lachen. Wir haben den ersten Teil geschafft! Wir haben die Gynäkothek überlistet! Das einzige was uns jetzt noch gefährlich werden kann, sind Militärpatrouillen. Sonst ist niemand um diese Zeit unterwegs. Sicherheitshalber fahren wir ohne Licht und orientieren uns im hellen Mondschein. Es ist eine seltsame, friedliche und doch zum zerreißen gespannte Stimmung. Anouk ist wieder eingeschlafen. Ich betrachte ihr süßes Gesicht. „Es war richtig“, raune ich ihr zu. „Natürlich war es richtig!“, sagt Cora laut. Dankbar drücke ich ihren Arm. Sie lächelt mir zu.
„Was wohl Bernd macht?“, frage ich. „Der liegt immer noch verängstigt auf dem Bett und wartet darauf, ob wir ihn kastrieren oder erstechen“, grinst Cora. „Verdient hätte er es ja. Wieso lässt du ihn so davonkommen? Der Kerl hätte dich fast umgebracht!“ – „Ich habe ihn mal geliebt…“ – „Ich auch. Aber das hat er sich gründlich verscherzt. Na egal. Wenn weder er noch du morgen im IBI auftauchen, wird früher oder später jemand nach ihm sehen.“ – „Und wenn er uns dann erwischt, geht es uns schlecht.“ – „Es gibt kein Zurück. Er darf uns eben nicht erwischen.“
Eine Weile schwiegen wir. Schließlich fragte Cora: „Wieso gibt es in Chalkiev eigentlich keinen Aufstand? Wieso machen sich soviele Frauen zu Komplizinnen der Männer, anstatt ihr Recht einzufordern?“ – „Ich hatte mal eine Lehrerin, die glaubte an dieses Gesellschaftkonzept, und sie konnte mir das auch nachvollziehbar erklären. Zumindest fand ich es damals nachvollziehbar. Und es gab Zeiten, da war auch ich in Chalkiev zufriedener, als je zuvor.“
„Quatsch! Diese Chalkiev-Männer sind durchgeknallte alternde Spätpubertierende mit zuviel Geld, die sich weigern, erwachsen zu werden und hier einen Abenteuer-Spielplatz eingerichtet haben!“ Cora war kompromisslos. Sie würde nie verstehen, dass jemand wie ich auch ein gewisses Glück an so einem Ort finden konnte. Ich musste lachen: „Allein schon diesen Ausbruch zu hören, war das Risiko der Flucht wert.“ – „Aber es ist nicht zum Lachen. Spiele können schön sein. Aber das Leben ist kein Spiel. Und Menschen als Spielfiguren zu missbrauchen, ist allerunterste Schublade.“ – „Ich bin freiwillig gekommen. Ich wollte es so.“, sagte ich leise. „Aber Du bist nicht freiwillig geblieben!“ – „Nein, das Kind hat alles geändert. Wäre Anouk nicht gekommen, wäre ich wohl geblieben. Und irgendwann hätte ich vergessen, wie es draußen war.“ – „Vielleicht bleibst bleibst du ja sowieso. Noch sind wir nicht draußen.“
Nach etwa zwei Stunden Fahrt werde ich unruhig. Wir müssen schon fast bei der Kaserne sein. Ich versuche, Landmarken zu erkennen, aber es ist schon so lange her. Cora wird langsamer, fast im Schritttempo schleichen wir weiter, bis ich in der Ferne ein schwaches Licht entdecke. Cora lenkt den Lieferwagen von der Straße runter. Ich gehe zu Fuß weiter, während sie mit Anouk wartet. Ich reibe mir Arme, Beine und Gesicht, die nicht von meinem schwarzen Kleid bedeckt sind, mit dem eiskalten, halbgefrorenen Schlamm vom Straßenrand ein und gehe vorsichtig ein Stück abseits der Straße zu Fuß zur Kaserne. Sicherheitshalber. Vielleicht haben sie ja doch wider Erwarten Kameras auf die Straße gerichtet. Ich weiß, dass sie eigentlich mit nichts rechnen. Wer sollte schon kommen? Sie haben sowieso zuwenig Personal für flächendeckende Bewachung. Das einzige, was sie interessiert, sind die Überwachungskameras an dem rund hundert Kilometer langen Abschnitt der Grenze, für den dieser Posten zuständig ist. Sie verlassen sich voll auf die Elektronik: Die wird Alarm schlagen, wenn sich etwas beim Todesstreifen bewegt. Außerdem, spreche ich mir Mut zu, sind es gar nicht wirklich Militärs. Es sind im Grunde Amateure in Phantasieuniformen. Von Chalkiev angestellt und nach der Vorstellung der Geschäftsleitung Militär spielend. Und wirklich: Ich kann problemlos auf das Kasernengelände schleichen. Im Wachpavillon brennt Licht. Eine Unteroffizierin schaut gelangweilt auf eine Reihe Monitore. Aber sie schaut nicht zur Tür.
Ich drücke mich an der Wand entlang und achte darauf, im Schatten der Gebäude zu bleiben. Der Mond scheint ziemlich hell. Ich kenne mich hier blind aus. Das Magazin. Das Offiziersgebäude. Der Schlafsaal der Soldatinnen. Der wird nachts abgeschlossen, das weiß ich. Aber weil ich nachts nie draußen war, weiß ich nicht, ob vielleicht noch eine Wache da ist. Ich bleibe eine Weile stehen und lausche. Nichts. Die Frau im Wachpavillon scheint die einzige Wache zu sein. Dann weiter: Die Wohnung des Majors, der mich dreimal zum Ficken mitgenommen hatte. Ich hatte gesehen, wo er seinen Schlüsselbund aufhängte. Immer an der selben Stelle. Ebenso wie er seine Kleidung bis hin zu den Socken immer exakt ausgerichtet an exakt dieselbe Stelle zum Lüften aufhängte und jede Nacht seine Bettgefährtin immer exakt gleich zuerst in Sula anfickte und dann in Belly fertignagelte. Ein anankastischer Bürokrat. Ich schleiche hinein, öffne die Schlafzimmertür. Er schnarcht unüberhörbar. Neben seinem Bett liegt eine im Mondlicht schemenhaft erkennbare Frau auf dem Boden. Sie bewegt sich nicht. Hoffentlich schläft sie. Rechts neben der Tür ein Haken. Dort war der Schlüsselbund damals. Und dort ist er auch jetzt. Ich greife ihn leise, leise, mache die Tür wieder zu und schleiche hinaus. Im Magazin ziehe ich einen Kampfanzug an und nehme einen zweiten mit. Sofort wird mir wärmer. Wieder zum Wachpavillon. Ich komme gut vorbei. Auf dem Weg zum Auto beginne ich dann doch noch zu zittern. Hey, ich bin keine Heldin. Wie komme ich dazu, so etwas zu tun? Aber weil es in Chalkiev keine Kriminalität gibt und niemand mit Kriminellen rechnet, kann eine Amateurin einen Schlüssel aus einer pseudomilitärischen Einrichtung klauen.
Beim Auto ist alles in Ordnung. Anouk war erwacht, Caro hat ihr ein Fläschchen gegeben, und sie ist wieder eingeschlafen. Caro schlottert vor Kälte. Ich gebe ihr den zweiten Kampfanzug. Jetzt müssen wir nach Gefühl fahren. Nordosten. An der Kaserne vorbei mit dem Auto trauen wir uns nicht. Also querfeldein in die Richtung, in der ich die Grenze vermute. Im Osten wird es langsam etwas heller, was uns die Fahrt erleichtert, aber die Gefahr erhöht. Wir müssen unbedingt durch sein, bevor in der Kaserne der Tag beginnt. Der Major wird das Fehlen des Schlüssels wohl sofort bemerken. Endlich ein Hügelkamm, der mir bekannt vorkommt. Tatsächlich: Dahinter das Tal mit dem Todesstreifen. Cora lenkt den Wagen etwa 100 Meter weiter in ein Bachbett. Das ist das Beste, was wir tun können. Viel Vegetation zum Verbergen des Fahrzeugs gibt es nicht.
Dann gehen wir zu Fuß weiter. Nach kurzer Zeit sehen wir die Grenzlinie mit den Türmen der Selbstschussanlagen. Wir gehen im zunehmenden Licht nordwärts dem inneren Zaun entlang, bis mir die Gegend bekannt vorkommt. Tatsächlich: Da ist der Beobachtungsturm auf der russischen Seite. Zweimal war ich an diesem Grenzabschnitt und beide male waren Leute auf dem Beobachtungsturm. Deswegen habe ich mich entschlossen, hier die Flucht zu versuchen, trotz der gefährlichen Nähe zur Kaserne. Ich habe keine Ahnung, wieviele russische Beobachtungstürme es überhaupt gibt und wie regelmässig die bemannt sind. Wegen der Kameras bleiben wir zunächst weg vom Grenzzaun. Wir ziehen uns ins niedrige Gehölz zurück und verstecken uns so gut wir können.
Inzwischen wird es immer heller. Die Sonne wird bald aufgehen. 6 Uhr. Verflixt, jetzt ist Wecken in der Kaserne. Spätestens in einer halben Stunde wird der Major seinen Schlüssel vermissen. Was wird er tun? Wird er meinen, er habe ihn verlegt und erst mal nichts sagen, um ihn später gründlich zu suchen? Oder wird er sofort Alarm auslösen? Und wenn ja, wird jemand eins und eins zusammenzählen, oder wird man Zeit damit verlieren, die ganze Kompanie zu filzen? Wofür sind überhaupt die anderen beiden Schlüssel am Bund? Etwas Wichtiges? Und außerdem wird auch sehr bald Anouks Fehlen auffallen. Und das Fehlen des Lieferwagens. Rechnen wir eine Stunde, bevor sie zum Schluss kommen, dass jemand das Kind entführt und mit dem Wagen weggebracht hat. Sie werden den Grenzstationen Alarm geben, vielleicht Hubschrauber aussenden. Daran können wir nichts ändern. Aber die Grenze ist lang. Sie werden nicht wissen, dass wir ausgerechnet an dieser Stelle sind. Außer, wenn der Major dann doch eins und eins zusammenzählt und sich vorstellen kann, warum sein Schlüssel verschwunden ist. Allzuviel Zeit haben wir auf keinen Fall mehr. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, die Sache abzubrechen, würde ich es jetzt tun, so verzagt fühle ich mich in diesem Moment.
„Probieren wir es mit dem Wurfanker?“ fragt Cora nervös, deren Gedanken offenbar in dieselbe Richtung gegangen sind. Wir haben ein Seil mit einem improvisierten Wurfanker aus einem Stein und einem Ast gebastelt. „Und wenn er nirgends Halt findet? Und schaffen wir es mit Anouk? Spätestens zehn Minuten nach dem Abschalten der Gewehre kommt die Grenzwache! Warten wir noch eine Weile.“ Anouk wimmert. Ich gebe ihr das zweite Fläschchen, das ich zum Warmhalten an meinem Körper getragen hatte. Das muss reichen, mehr habe ich nicht mitgenommen. Schade, dass ich selber keine Milch mehr habe. Sie wimmert weiter; ihre Windel ist voll. Ich habe keine Ahnung, wie man ein Baby wickelt. Ich nehme eine der mitgebrachten Windeln und bin in meiner Nervosität ratlos, wie herum ich die halten muss. Anouk beginnt laut zu weinen, und ich werde noch nervöser. Als Cora sieht, wie ungeschickt ich mich anstelle, sagt sie „Du hast noch nicht viel mit Babys zu tun gehabt, oder?“ – „Nein“, gestehe ich, den Tränen nahe. Eine Mutter eines vier Monate alten Kindes, die nicht weiß, wie man die Windel wechselt. Toll. „Warte, meine Schwester hat vor einem Jahr ein Kind bekommen, ich zeigs dir.“ Sie weiß, wie man den Baby-Hintern reinigen und wie man die Windel auffalten, anlegen und zukleben muss, und zusammen ziehen wir der nun wieder fröhlich brabbelnden Anouk den Bärenanzug wieder an.
Endlich, gegen Viertel vor acht Uhr, Bewegung auf dem russischen Beobachtungsturm. Werden sie uns helfen? Cora tritt hervor und winkt hinüber. Die russischen Soldaten winken zurück. Cora versucht mit Zeichen anzudeuten, dass wir rüber wollen. Die Russen deuten auf die Selbstschussanlagen und machen abwehrende Armbewegungen. Gut, jetzt müssen wir es wagen. Es gibt keinen Weg zurück. Ich gehe zum Gewehrturm und schaffe es vor Zittern kaum, den Schlüssel ins Schloss des stählernen Schaltkastens zu stecken. Endlich klappt es. Er passt. Die Klappe öffnet sich. Ich schalte diesen und die beiden rechts und links liegenden Türme aus. Dies hat einen Alarm in der Kaserne ausgelöst, das weiß ich. Es ist mir klar, dass wir jetzt auch auf den Kameras der Gewehrtürme deutlich zu sehen sind. Jetzt wissen sie, wo das vermisste Baby ist. In der Kaserne wird jetzt wahrscheinlich Grossalarm gegeben. Wenige Minuten, bis sie hier sind. Also los: Mit einem anderen Schlüssel die Tür im Drahtzaun öffnen wie damals, als ich jäten musste. Ich muss mehrere durchprobieren, bis ich den richtigen habe. Wie der Blitz über den Todesstreifen, unter den russischen Turm, der knapp einen Meter hinter der Mauer steht. „Habt Ihr eine Leiter? Ein Seil?“ – „Nein“. Wir holen unseren improvisierten Wurfanker aus dem Rucksack und schleudern ihn hoch. Die Russen fangen. Zwei von ihnen machen einen langen Schritt auf die Mauerkrone und halten das Seil. Ich schlinge das Seil um Anouks Brust unter den Armen und binde sie gut fest. Sie weint. Die Soldaten ziehen sie schnell hoch und werfen das Seil wieder runter. Cora will nicht als Zweite. Keine lange Diskussion, ich gehe. Die Russen ziehen mich hoch, ich helfe, indem ich mich an der Mauer abstütze. Rüber auf den Turm, Anouk zurück in meine Arme. Dann Cora. Auch sie schafft es. Ich muss mich fast zwingen, mich den Männern gegenüber „normal“ zu verhalten. Wenn ich nicht das Kind im Arm hätte, wäre ich glatt in Submission gegangen. Doch Cora umarmt lachend einen der Russen, während ihr Tränen aus den Augen strömen. Da verstehe auch ich es.
Wir sind frei!
Auf der anderen Seite sind inzwischen mit hoher Geschwindigkeit Jeeps angekommen und Bewaffnete springen heraus. Die Russen hetzen uns die Leiter hinunter, unter die Mauerkrone in Deckung. Es waren eher fünf als zehn Minuten seit dem Abschalten der Gewehre. Doch zu spät.
Wir sind frei!
*** Ende ***
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2 Gedanken zu „Jahre in Chalkiev 29“