Zweiundzwanzig
Gianna schreckte auf. Eine fremde Welt, ein fremdes Bewusstsein war in ihrem Kopf! Die Ameise war wieder näher gekommen und hatte sie mit ihrem Fühler berührt. Zuerst wollte sie voller Ekel und Angst um sich schlagen, doch dann siegte die Faszination. Ein Winkel ihres Bewusstseins, der noch rein menschlich geblieben war, rief ihr zu: »Genau dafür bist du hierher gekommen! Fremdes Leben, fremde Intelligenz!« Ein anderer Teil ihres Bewusstseins war eine Art Empfangsgerät für das Volk: ein fremdartiges Wesen, das die Gesamtheit der Ameisen zu symbolisieren schien. Nicht etwa die Königin. Die Königin war nur eine Art lebende Fabrikationsstätte für ›Glieder‹, wie der dritte Teil ihres Bewusstseins analysierte, jener Teil, der den menschlichen und den fremden Teil zu analysieren und zu integrieren versuchte. Gianna wurde zu einer Art Mensch-Ameise. Sie vereinigte in sich Erfahrungen und Wissen beider Teile. Fast vermeinte sie, ein drittes Extremitätenpaar und riesige Kiefer zu besitzen. Die ›Glieder‹: Eineiige Dutzendlinge, oder Klone der Königin, wenn man so wollte, die dasselbe Genom in unterschiedliche Phänotypen exprimierten. Es gab nichts, was mit der Paarung irdischen Lebens vergleichbar wäre. Keinen Sex, keine Geschlechter. Glieder waren unsterblich, solange sie nicht verhungerten, erstickten oder durch äußere Einwirkung vernichtet wurden. Sie hatten keinen individuellen Überlebenstrieb. Das Einzige, was zählte, war die Unversehrtheit des Baus und die Weiterexistenz des Volkes. Chitin 22 weiterlesen